Ein sichtbares Zeichen des Widerstandes Hans Scholl und die Weiße Rose

von Folker Förtsch

Seite 2

Hans Scholls weiterer Lebensweg verlief äußerlich zunächst in den vom Regime vorgezeichneten Bahnen: Dem Arbeitsdienst in Göppingen folgte die Ableistung des Wehrdienstes. Zum Sommersemester 1939 schrieb sich Hans Scholl als Medizinstudent in München ein. Mit Kriegsausbruch wurde er in eine der Studentenkompanien der Wehrmacht aufgenommen, die wehrtauglichen Männern die Möglichkeit boten, ihr Studium trotz des Krieges fortzusetzen. Hier lernte Hans viele der Freunde kennen, die später mit ihm in der „Weiße Rose“ aktiv werden sollten, allen voran Alexander Schmorell und Willi Graf.

Die Briefe und Tagebucheinträge dieser Zeit zeigen einen jungen Mann, der einerseits mühsam und bisweilen schmerzhaft nach Selbstvergewisserung, nach Sinn und Wahrheit sucht, der andererseits eine klare antinazistische Überzeugung vertritt. Prägend für die politischen Einstellungen Hans Scholls wurde ein in ihrer Bandbreite und ihren Ansprüchen beeindruckende Lektüre. Sie umfasste nicht nur Werke der Dichtung, sondern insbesondere Texte zu philosophischen und theologischen Themen: Nietzsche, Platon, Augustinus, Pascal und Laotse sind nur einige, aber die bekanntesten der gelesenen Autoren. Die regelmäßigen Gesprächs- und Leseabende im Freundeskreis schärften die Argumente in der geistigen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Hier erhielten sie auch Kenntnis von den Verbrechen der deutschen Besatzungstruppen in Polen und Rußland. Dabei entwickelte sich bei Hans Scholl und Alexander Schmorell die Überzeugung, dass etwas gegen das Regime unternommen werden müsse.

Prägend insbesondere für Hans Scholl war in dieser Zeit auch die Bekanntschaft mit Carl Muth und Theodor Haecker, katholischen Intellektuellen, die von den Nationalsozialisten mit Schreibverbot belegt worden waren. Der intensive Kontakt vor allem mit Muth lenkte Hans’ geistige Suche in die Richtung eines entschiedenen konfessionsübergreifenden Christentums: Ich habe nach vielen, fast unnütz verflossenen Jahren das Beten wieder gelernt. Welche Kraft habe ich da gefunden! Endlich weiß ich, an welcher Quelle ich meinen fürchterlichen Durst löschen kann (Brief vom 25. Jan. 1942). Die christliche Botschaft wurde zum Maßstab des Denkens und Handelns: Es muss ein sichtbares Zeichen des Widerstandes von Christen gesetzt werden. Sollen wir am Ende des Krieges mit leeren Händen vor der Frage stehen: Was habt ihr getan?

In die ersten vier Flugblätter der „Weißen Rose“, die im Juni und Juli 1942 entstanden und maßgeblich von Hans Scholl mitformuliert wurden, fanden die christlich motivierten Gedanken in ausgeprägter Weise Eingang – sowohl in den Inhalt als auch in die Sprache (Diktatur des Bösen, Bote des Antichrist). Wer die Flugblätter liest, ist auch heute noch von der Schärfe der Argumentation und der moralischen Rigorosität der jungen Studenten, zu denen inzwischen auch Hans’ Schwester Sophie gestoßen war, beeindruckt. So unvermutet die ersten Flugblätter der „Weißen Rose“ aufgetaucht waren, so plötzlich riss ihr Erscheinen im Sommer 1942 wieder ab. Grund war der Einsatz der Münchner Studentenkompanie mit Hans Scholl und seinen Freunden auf einem Hauptverbandsplatz an der Ostfront.

nach oben