Scholl-Grimminger-Denkmal enthüllt
Crailsheim / Sebastian Unbehauen 24.09.2018
Hans Scholl und Eugen Grimminger sind im Herzen der Stadt angekommen. Das beeindruckende Denkmal am Jagstbrückenhochhaus soll Erinnerung und Aufforderung zugleich sein.
Es war noch ein bisschen vor der Zeit, als am Samstagmittag während der Einweihungsfeierlichkeiten plötzlich ein Windstoß die Abdeckung anhob und das neue Scholl-Grimminger-Denkmal um ein Haar enthüllt hätte. Das beherzte Eingreifen einiger Männer hat’s verhindert, aber die Szene verleitete zum gedanklichen Abschweifen – war es doch, als wollte irgendeine Kraft da draußen deutlich machen, dass es höchste Zeit ist, die beiden großen Crailsheimer Hans Scholl und Eugen Grimminger im Herzen ihrer Heimatstadt zu ehren.

Wenig später war es dann tatsächlich offiziell so weit: Die Abdeckung fiel, zum Vorschein kam das Werk des Stuttgarter Künstlers Jörg Armbruster. Schnell nach der Feier umringten die Crailsheimer es, betrachteten es interessiert von allen Seiten und in all seinen Facetten – die glasige Oberfläche, die kurzen Lebensläufe und Bilder von Scholl und Grimminger, den Text des fünften Weiße-Rose-Flugblatts, die Rose sowie die Botschaften „Freiheit“ und „Wir schweigen nicht“, die je nach Standpunkt des Betrachters sichtbar sind oder nicht.
Ingersheim 100. Geburtstag von Hans Scholl
Christiane Pappenscheller-Simon, die Vorsitzende der „Initiative Erinnerung und Verantwortung“, auf deren Betreiben das Denkmal zurückgeht, hatte zuvor in ihrer Rede auf die lange Geschichte der Idee verwiesen. Seit 1993 schwirrte sie durch die Stadt, immer wieder verlief sie im Sande – bis Pappenscheller-Simon, Karin Durst, Peter Erler, Hannes Hartleitner und Peter Pfitzenmaier vor fünf Jahren ein klares Ziel formulierten: „Crailsheims Innenstadt braucht einen besonderen Ort der Erinnerung an ihre Mitbürger Scholl und Grimminger, der jederzeit frei zugänglich ist.“ So ist es nun, weil Stadt und Gemeinderat den Plan unterstützten, und weil viele Privatleute und Firmen für das Projekt spendeten.
Das Datum der Enthüllung hätte nicht besser gewählt sein können, schließlich hätte Hans Scholl an dem Tag seinen 100. Geburtstag gefeiert. Ihm zu Ehren hatte der „Arbeitskreis Weiße Rose“ bereits am Morgen vor dem Geburtshaus in Ingersheim eine Feierstunde abgehalten. Dort also, wo die damalige Gemeinde Ingersheim-Altenmünster den ersten Sohn des Schultheißen Robert Scholl am 22. September 1918 mit Böllerschüssen begrüßt hatte. „Wie schön, dass du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst“, sangen 25 Kinder der Geschwister-Scholl-Schule. Und die Arbeitskreis-Vorsitzende Ursula Mroßko ergänzte, Scholls Geburt sei nicht nur schön, „sondern ein Glücksfall für unser Land“. Hans Scholl habe das andere, das bessere Deutschland verkörpert.
Crailsheim Widerstand muss rechtzeitig beginnen
Für die Freiheit eingetreten
Mroßko erinnerte wie Schüler des Lise-Meitner-Gymnasiums am Geburtshaus, wie später am Denkmal Schüler der Eugen-Grimminger-Schule, der Kaufmännischen Schule und des Albert-Schweitzer-Gymnasiums, wie Oberbürgermeister Dr. Christoph Grimmer und Christiane Pappenscheller-Simon, an Scholls – und Grimmingers – Eintreten für die Freiheit, die Menschlichkeit, die Individualität, in einer Zeit, als all dies vom totalitären NS-Regime mit Füßen getreten wurde.
Die Erinnerung, sagte Pappenscheller-Simon bei der Denkmalsenthüllung, sei verbunden mit der Aufforderung, Verantwortung zu zeigen und, wo notwendig, Widerstand zu leisten, wenn der Frieden und die Freiheit gefährdet sind. Oberbürgermeister Grimmer betonte, das Denkmal stehe für die Erinnerung an eine dunkle historische Epoche ebenso wie dafür, dass „Diktatur und Terror, Menschenverachtung und Rassismus nicht das letzte Wort behalten haben“. Crailsheim stelle sich mit dem Denkmal öffentlich in die Tradition der Werte der „Weißen Rose“: Freiheit und Menschenrechte, Sozialstaat, Föderalismus und europäische Zusammenarbeit. Seine Finanzierung weitgehend über Spenden mache das Scholl-Grimminger-Denkmal zu „einem tatsächlichen Denkmal der Crailsheimer Bürgerschaft“.
Weckers Botschaft
An diese Bürgerschaft wandte sich der bayerische Liedermacher Konstantin Wecker in einer eindringlichen Videobotschaft. Zuvor wurde sein für die „Weiße Rose“ komponiertes Stück eingespielt, in dem es unter anderem heißt: „Die aufrecht gehen sind in jedem System nur historisch angesehen“; und: „Ihr habt geschrien, wo alle schwiegen, und wo ein Schrei nichts ändern kann. Es ging ums Tun und nicht ums Siegen.“ Wir seien es den Geschwistern Scholl und allen anderen Geschändeten schuldig, appellierte Wecker in seiner Botschaft, dafür zu sorgen, „dass die braune Brühe nicht noch einmal Landstriche überschwemmt“. Er sagte das nicht einfach so, sondern ganz konkret in Bezug auf die Aussage des AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland, die NS-Zeit sei nur ein „Vogelschiss“ in einer erfolgreichen deutschen Geschichte.
Mroßko hatte am Morgen dieselbe Botschaft so formuliert: „Wer zusammen mit Neonazis und Hitlergrüßern marschiert, darf in Deutschland keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen.“
(Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Hohenloher Tagblatts)