Zivilcourage erfordert einen geschärften Blick

Professor Peter Steinbach referiert an der Kaufmännischen Schule über den bürgerlichen Mut in der NS-Zeit und heute.
Zivilcourage - das Wort kennt jeder. Die wenigsten lassen diesem Wort aber Taten folgen. Nicht so die Menschen, über die Peter Steinbach an der Kaufmännischen Schule referierte - sie lebten Zivilcourage.

Artikel vom 25.09.2008 aus SÜDWEST AKTIV von BIANCA-PIA DUDA

"Widerstand und Nationalsozialismus" - kündigt ein Lehrer diesen Stoff heutzutage im Unterricht an, stößt er bei den Schülern in den wenigsten Fällen auf großes Interesse. Kommt aber ein Mann wie Prof. Dr. Peter Steinbach an die Kaufmännische Schule Crailsheim (KSCR), hören etwa 600 Schüler und Lehrer interessiert zu. Steinbach ist Professor für Politische Wissenschaft und Zeitgeschichte an der Universität in Mannheim und verwandelte die Aula der KSCR kurzerhand durch seinen Vortrag "Zivilcourage - mehr als Selbstbehauptung. Stellvertretendes mitmenschliches Handeln" in einen Uni-Hörsaal.

Widmete seinen Vortrag den "Tätigen des Widerstands", Professor Peter Steinbach. Foto: Bianca-Pia Duda
Widmete seinen Vortrag den "Tätigen des Widerstands", Professor Peter Steinbach. Foto: Bianca-Pia Duda

Er machte mit Beispielen klar, was Zivilcourage heißt. Und das sowohl damals als auch in der heutigen Zeit. In jeder Gesellschaft gelten gewisse Regeln und Werte. Um harmonisch in einer Gesellschaft leben zu können, hält man sich an diese, ordnet sich ihnen unter oder verhält sich dementsprechend. "Der Mensch duckt sich und hält die Schnauze", fasste es Steinbach deutlich zusammen.

Wie gefährlich es werden kann, wenn alle "die Schnauze" halten, weiß man ja aus der NS-Zeit. Oft genug wurde gesagt, dass dieses Regime nur funktioniert hat, weil zu wenig Menschen dagegen waren. Nur 7000 "Spitzel" hatte die Gestapo damals in ganz Deutschland im Einsatz, die andere Leute denunzierten.

Die Oberstufenschüler der Kaufmännischen Schule und des Albert-Schweitzer-Gymnasiums erfuhren beim Vortrag auch, dass es möglich war, einen Lehrer, der schlecht benotete oder von dem man sich ungerecht behandelt fühlte, nicht persönlich, sondern politisch anzuprangern. Seinen Beruf war er dann ziemlich sicher los.

Und in so einer Gesellschaft zum "Tätigen des Rettungswiderstandes" werden? Das erfordert wirklich Mut. Ob es nun Menschen waren, die Juden vor der Deportation bewahrten und teilweise mehrere Jahre zu Hause versteckten oder Mitglieder der "Weißen Rose", wie Hans Scholl, der am 22. September 90 Jahre alt geworden wäre, - sie hatten den "Mut, die eigene Überzeugung ohne Rücksicht auf eigene Gefährdung oder Nachteile gegenüber Obrigkeiten, Vorgesetzten oder in der Öffentlichkeit zu vertreten", wie die Zivilcourage definiert wird. "Der geschärfte Blick ist die Voraussetzung für Zivilcourage", gab Steinbach den jungen Zuhörern mit auf den Weg, die etwa alle in dem Alter - etwa 19 bis 25 - sind , in dem Hans Scholl und seine Mitstreiter auf dem Schafott ihre Hinrichtung erwarteten. Steinbach forderte dazu auf, einmal darauf zu achten: Wie reagiert man, wenn in China Menschenrechte verletzt werden? Wenn im Bus jemand angepöbelt wird?

"Der Vortrag hat das Thema Zivilcourage wieder etwas in Erinnerung gerufen", stellte Kerstin Jendrzej (22) fest. "Die Geschwister Scholl sind ein Beispiel dafür, was junge Menschen bewegen können." Vielleicht hat der Vortrag bei manchen nun bewirkt, sich mutiger zu verhalten.

(Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Hohenloher Tagblatts)

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