Tag der Weißen Rose Seite 1

Tag der Weißen Rose
Tag der Weißen Rose

Seit dem Jahr 2000 wird in Crailsheim des Geburtstags von Hans Scholl am 22. September öffentlich mit einem Vortrag gedacht. Initiiert wurde dieser Gedenktag vom Weiße Rose, Arbeitskreis Crailsheim e.V., Mitveranstalter ist seit einigen Jahren auch die Geschwister- Scholl- Initiativgruppe, ein beratendes Gremium der Stadt und verschiedener Gruppierungen. Neben dem jährlichen Vortrag am Abend lädt der Arbeitskreis hin und wieder auch zu einem Gedenken am Geburtshaus von Hans Scholl ein.

 

Informationen zu den Veranstaltungen:

 

2019

Kindertransporte 1938/39 – die Flucht jüdischer Kinder vor dem Holocaust
Bildervortrag zum Crailsheimer Tag der Weißen Rose
30.09.2019

Die Demokratie lebe von Zivilcourage und vom Engagement gegen Unrecht, wie sie Hans und Sophie Scholl gezeigt hätten, sagte Jens Zielosko in seinem Grußwort, das er in Vertretung des Oberbürgermeisters vortrug. Er bedankte sich beim Arbeitskreises Weiße Rose für die jahrelange engagierte Arbeit und betonte, wie wichtig es besonders in heutiger Zeit sei, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus nicht vergessen würden.

Zum diesjährigen Crailsheimer Tag der Weißen Rose hatte der Arbeitskreis Weiße Rose und das Stadtarchiv Crailsheim die Münchner Historikerin und Journalistin Lilly Maier als Gastrednerin geladen. Sie ist ausgewiesene Expertin zum Thema Kindertransporte 1938/39 und die Flucht jüdischer Kinder vor dem Holocaust. Ihre Forschungsarbeit ist von der Ludwig-Maximilians-Universität München mit dem „Forscherpreis 2014 für exzellente Studierende“ ausgezeichnet worden.

Mroßko, Maier, Förtsch
Mroßko, Maier, Förtsch

In den Jahren 1938/39 seien 10.000 unbegleitete jüdische Kinder mit Kindertransporten allein nach England geschickt worden, berichtete die Vorsitzende Ursula Mroßko im voll besetzten Forum im Rathaus. Einer davon sei der 9jährige Manfred Rosenfeld aus Crailsheim gewesen. Seine Geschichte und die tausender weiterer meist traumatisierter Kinder mache deutlich welches Leid Ausgrenzung, aus welchen Gründen auch immer,  Menschen zufüge. Sie zeige aber auch, dass durch Mitmenschlichkeit und persönlichem Einsatz vieler Menschen vom Tode bedrohte Kinder gerettet werden könnten.

Erst seit den 90er Jahren werde die Geschichte der Kindertransporte intensiv erforscht. Aufgerüttelt durch die Novemberpogrome im Herbst 1938 hätten internationale Organisationen begonnen Kindertransporte vorzubereiten, so die Referentin Lilly Maier. Wegen der wirtschaftlichen Situation wären Aufnahmeländer eher bereit gewesen unbegleiteten Minderjährigen Visa zu erteilen. Erwachsene Flüchtlinge, so befürchtete man, würden auf den schwachen Arbeitsmarkt drängen. Bis Kriegsbeginn sei es gelungen, 15.000 Kinder aus Deutschland, Österreich, der Tschechoslowakei und Polen zu retten. Erstaunlich sei, dass die Nationalsozialisten die Kindertransporte zunächst zugelassen und teilweise sogar unterstützt hätten. Mit Kriegsbeginn sei die Aktion nicht mehr möglich gewesen.

Die bevorzugte Unterbringung seien in England Pflegefamilien gewesen. Ziel sei es gewesen, die Kinder so schnell wie möglich ins britische Leben einzugliedern, damit sie wenig auffallen. Ein großes Problem für die jüngeren Kinder sei gewesen, dass sie nicht verstanden hätten, warum ihre Eltern sie weggeschickt hatten. Sie hätten ihre Verschickung als Strafe empfunden. Nach Frankreich seinen vergleichsweise wenige Kinder, nämlich nur 200, mit einem Kindertransport eingereist. Sie hätten im Gegensatz zu England deutsch sprechen dürfen und seien in reformpädagogischen Kinderheimen untergebracht worden. Dort habe man versuchte, ihre traumatischen Erlebnisse durch Spiel und Sport zu verarbeiten. Allen Kinder gemein sei, dass sie bis ins hohe Alter mit niemandem über ihre Emigration gesprochen hätten, selbst nicht mit ihren eigenen Kindern.
Trotz ihrer schlimmen Erlebnisse seien die Flüchtlingskinder beruflich fast alle sehr erfolgreich geworden und hätten einen ausgeprägten Sinn für soziales Engagement entwickelt. Unter den 2500 Kinder, die schließlich in die USA emigrieren konnten, befänden sich 3 Nobelpreisträger, viele Ärzte, Anwälte und Ingenieure.

Lilly Maier berichtete auch von ihrem besonderen Verhältnis zu einem dieser ehemaligen Flüchtlingskinder. 2003 lernt die 11jährige Lilly den 75jährigen amerikanischen Raketeningenieur Arthur Kern bei einem Besuch in Wien kennen. Sie lebte damals in der Wohnung seiner Kindheit. Damit kreuzten sich zwei Lebenswege schicksalhaft. Lilly Maier beschäftigt sich seither intensiv mit dem Thema der Kindertransporte von 1938/39. Sie studierte in München Geschichte und in New York Journalismus. In die Familie von Arthur wurde sie als „österreichische Enkeltochter“ aufgenommen.

Diese Geschichte vom Mädchen Lilly und dem Holocaust-Überlebenden erzählt Lilly Maier fachlich kompetent und spannend in ihrem Buch „Arthur und Lilly“. Hier wird deutlich, dass sich mit Kriegsende keinesfalls alles schlagartig zum Guten für die Flüchtlingskinder wendete. An den traumatischen Erfahrungen ihrer Kindheit und Jugend litten sie oft ein Leben lang. Lilly Maiers Fazit: Nicht nur die Toten der KZ sind Opfer des Holocaust, Opfer sind in gleicher Weise die Kinder der Kindertransporte von 1938/39.

 

 

 

2017

Die Erinnerung an ihn ist lebendig

Am Tag der Weißen Rose wird eine weitere Facette der Persönlichkeit von Eugen Grimminger, dem Nazigegner und Unterstützer der Widerstandsgruppe, vorgestellt.

Andreas Harthan | 06.10.2017

War ein engagierter Tierfreund und energischer Gegner von Tierversuchen: Eugen Grimminger. Foto: Privatfoto/Alexander Wild

Der Eisenbahnersohn Eugen Grimminger aus Crailsheim, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum 125. Mal gejährt hat, war vieles: Pazifist, Genossenschafter, Vegetarier, Kommunalpolitiker, Nazigegner und Unterstützer der studentischen Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ um Hans und Sophie Scholl. Und er war auch ein großer Tierfreund, wie jetzt beim Tag der Weißen Rose, der in Crailsheim zu Ehren von Hans Scholl gefeiert wird, berichtet wurde.

Freute sich über den Grimminger-Vortrag von Dr. Alexander Wild am Crailsheimer Tag der Weißen Rose: Ursula Mroßko, Vorsitzende des Abeitskreises Weiße Rose. Foto: Andreas Harthan

Zu Gast war in diesem Jahr Dr. Alexander Wild aus Stuttgart, Vorsitzender der Grimminger-­Stiftung für Zoonosenstiftung. Wilds Mutter Hedwig war langjährige Mitarbeiterin von Grimminger und nach dessen Tod Vorsitzende der Stiftung, die Eugen und Tilly Grimminger ins Leben gerufen hatten. Auch die Stiftung verweist auf den Tierfreund Grimminger. Sie unterstützt die Erforschung und Bekämpfung von Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden können (Zoonosen).

Aber Eugen Grimminger, Spross einer Crailsheimer Eisenbahnerfamilie und nach dem Krieg oberster Genossenschafter in Württemberg, war vor allem ein praktischer Tierschützer. Im elterlichen Haus seiner Frau Tilly in Stuttgart wurde 1962 eine für damalige Verhältnisse hochmoderne Tierklinik eingerichtet. Eugen Grimminger war von 1958 bis 1972 Vorsitzender des Tierschutzvereins in Stuttgart und bis zu seinem Lebensende 1986 ein engagierter Tierversuchsgegner.

1957 zog sich das Ehepaar Grimminger aus der Landeshauptstadt in ein kleines Dorf im Schurwald, nach Lobenrot, zurück. Eugen Grimminger, der Menschen so leicht unterhalten, beeindrucken, ja mitreißen konnte, war misstrauisch geworden, fast ein bisschen menschenschau. Er machte keinen Hehl daraus, dass ihm der Umgang mit Tieren  lieber war. Aus dem Anwesen wurde schnell eine Art privates Tierheim. In dieser Zeit lernte der Bub Alexander Wild den Pensionär Grimminger kennen. Wild beschrieb das in seinem Vortrag im Rathaussaal anlässlich des Tages der Weißen Rose so: „Unser Verhältnis war das von Großvater zu Enkel.“

Dr. Wild, der heute die von Grimmingers ins Leben gerufene Stiftung führt, berichtete von einem „Idyll“ auf dem Land. Das Ehepaar versorgte herrenlose Tiere jedweder Art, große und kleine. Teil des Anwesens war ein großer Garten, in dem Grimmingers, beide Vegetarier, Obst und Gemüse anbauten. Der kleine Ale­xander aus der großen Stadt besuchte die beiden gerne – „es war immer spannend“.

Der Schurwald war übrigens nicht Grimmingers erste Wahl, was den Alterssitz angeht. Das Ehepaar, das ohne Kinder blieb, wollte ursprünglich nach Crailsheim, in die Geburtsstadt Eugen Grimmingers, umsiedeln. Doch daraus wurde nichts, weil es nicht da bauen durfte, wo es wollte: am Karlsberg. Dort, wo inzwischen viele Häuser stehen. Obwohl es ihm seine Heimatstadt nie leicht gemacht hat – Eugen Grimminger musste, nachdem er seine Jugendliebe, die Jüdin Jenny Stern geheiratet hatte, Crailsheim wegen „schleichender Verfemung“ verlassen – blieb er ihr doch stets verbunden.

Bis heute steht nicht abschließend fest, wie viel Geld Grimminger der „Weißen Rose“ hat zukommen lassen. Alexander Wild geht von „mehreren Tausend Reichsmark“ aus. Dieses Geld stammte nicht nur von ihm, sondern auch von Crailsheimern wie Alfred König oder Berta Wagner. Grimmingers Widerstand bestand nicht nur aus der finanziellen Unterstützung der Studenten im Widerstand. Seine Kanzlei war nach eigenen Worten „ein regelrechtes Auskunfts- und Hilfsbüro für politisch Verfolgte“. Er selbst, der seine erste Frau nicht vor der Ermordung im KZ bewahren konnte, rettete etlichen jüdischen Freunden das Leben, indem er sie in die Schweiz schleuste.

 

Bald erinnert ein Denkmal auch an ihn

Ehrenbürger sind sie bis heute nicht, Hans Scholl (1918–1943), der Kopf der studentischen Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, und sein Unterstützer Eugen Grimminger (1892–1986). Trotzdem ist die Erinnerung an die beiden durchaus lebendig in ihrer Geburtsstadt Crailsheim. Anlässlich des 100. Geburtstages von Hans Scholl im nächsten Jahr wird auf dem Platz vor dem Jagstbrückenhochhaus ein Denkmal aufgestellt, das an die beiden erinnert (das HT berichtete). Auf der Rückseite des Denkmals aus Glas und Stahl werden Porträts der beiden Nazigegner Scholl und Grimminger zu sehen sein. ah

(Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Hohenloher Tagblatts)

Link zum Originalartikel: (externer Link, neues Fenster)

 

2016

Ausstellung: An der Front ein Pazifist geworden
Nicht nur Bilder von Otto Albrecht und seiner Tochter Gisela Hennig-Albrecht sind in Crailsheim zu sehen.
Link zum Artikel im HT (externer Link, neues Fenster)

Werke von Otto Albrecht im Museum im Spital
Anlässlich des Tages der Weißen Rose zeigt das Crailsheimer Stadtmuseum im Spital Kunst von Otto Albrecht, der im Zweiten Weltkrieg im KZ Sachsenhausen zu Tode kam.
Link zum Artikel im HT (externer Link, neues Fenster)

 

2015

Tag der Weißen Rose

Technik des Widerstands - die Flugblätter der Weißen Rose
22.09.2015 - 19:00 Uhr
Referent: Thomas Kortenkamp

 

Thomas Kortenkamp untersucht, mit welchen technischen Mitteln die Mitglieder der Weißen Rose ihre Flugblätter vervielfältigt haben und demonstriert dies anhand von Geräten, die den damals verwendeten baugleich sind. Diese Sichtweise lässt manche Passagen der Vernehmungsprotokolle in einem neuen Licht erscheinen und macht diesbezügliche Irrtümer in der Weiße-Rose-Forschung deutlich. Bereichert wird der Abend durch zeitgenössische Tondokumente, übertragen mit einem alten Röhrenradio, und Musik von alten Schellackplatten, auf dem Grammophon abgespielt mithilfe von Kaktusnadeln. Die Besucher können einen Faksimile-Abzug des programmatischen fünften Flugblatts der Weißen Rose mit nach Hause nehmen.

Thomas Kortenkamp, hinten Jörg Hartnagel.

Thomas Kortenkamp, hinten Jörg Hartnagel.

 

Artikel im HT: (externer Link, neues Fenster)

 

 
 

2014

Sonntag, 28. September 2014
Rathaus, Forum in den Arkaden

Ulrich Chaussy
Ulrich Chaussy

Für die Freiheit gestorben

Wie wurde aus einem Kreis von Studenten in München die Widerstandsgruppe "Weiße Rose"? Darüber gab der Publizist Ulrich Chaussy Auskunft.
ANDREAS HARTHAN | 01.10.2014

Es ist zur Tradition geworden, im September an den zu gedenken, der mittlerweile als "größter Sohn der Stadt" bezeichnet wird: Hans Scholl. Der Bürgermeistersohn, am 22. September 1918 in Ingersheim geboren, wurde am 22. Februar 1943 von den Nazis in München hingerichtet - zusammen mit seiner Schwester Sophie. Hans Scholl wurde 24 Jahre alt, Sophie 21 Jahre. Ursula Mroßko, Vorsitzende des Arbeitskreises Weiße Rose, und Stadtarchivar Folker Förtsch konnten im Forum in den Rathausarkaden mit Ulrich Chaussy nicht nur einen profilierten Publizisten, sondern auch einen ausgewiesenen "Weiße Rose"-Kenner begrüßen.

Wie wichtig das Wirken eines Hans Scholl bis heute ist, machte Förtsch an dem fest, was den Medizinstudenten damals ausmachte: Er hatte eine eigene Meinung, einen eigenen Standpunkt, ein kritisches Bewusstsein. Das seien Eigenschaften, die auch in demokratisch verfassten Gesellschaften wichtig seien.

Auch wenn Hans und Sophie Scholl für die ihnen so wichtige Freiheit gestorben sind, waren sie nicht als Helden geboren worden, unterstrich Chaussy. Er erinnerte daran, dass sowohl Hans als auch Sophie Scholl in der Hitlerjugend waren, dass sie sich erst nach und nach vom Nationalsozialismus abwandten. Hans Scholl konnte jähzornig sein, manchmal auch arrogant, so Chaussy. Er war auf der Suche nach sich selbst und fand seine Liebe zur Freiheit. Für sie gab er letztendlich sein Leben.

(Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Hohenloher Tagblatts)

Link zum Artikel im HT (externer Link, neues Fenster)

Das Programm des Abends als pdf-Datei

Download des Flyers zur Veranstaltung

 

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