Als Hans Scholl noch Johannes hieß
Crailsheim / Ute Schäfer 10.10.2018
Das Geburtshaus des späteren Widerstandskämpfers in Ingersheim ist wohl auch das Haus seiner Taufe. Doch ganz eindeutig ist das laut Registereinträgen nicht.
Das Taufdatum von Hans Scholl ist bekannt und abzulesen im Taufregister in Ingersheim: Es war der 13. Oktober 1918 – also vor fast genau 100 Jahren.

Dass es ein eigens geführtes Taufregister von Ingersheim gibt, ist kein Wunder, denn Ingersheim war damals eine eigenständige Gemeinde, auch wenn die Kirchengemeinde von der Crailsheimer Johannesgemeinde mit betreut wurde. Die Ingersheimer Kirchengemeinde indes war für ihre Kirchenpflege selbst zuständig, und es gab auch Ingersheimer Sitzungen des Kirchengemeinderats. Heimatforscher Werner Mack hat die Protokolle studiert. „Es saßen auch Vertreter aus Ingersheim im Johannes-Gesamtkirchengemeinderat“, hat er herausgefunden.
Kein eindeutiger Eintrag
Robert Scholl war einer der Zeugen bei der Einsetzung von Stadtpfarrer Plank einige Wochen nach Hans‘ Taufe. Plank war damals schon im Lande und hatte die Familie Scholl besucht, wie das Protokollbuch vermerkt. Dennoch wird nicht er den kleinen Hans getauft haben, sondern Stadtvikar Reimann. Der Eintrag im Register ist hier nicht eindeutig. „Es scheint, dass Reimann um diese Zeit krank war“, sagt Mack. „Es herrscht ziemliches Tohuwabohu in den Einträgen.“
Robert Scholl saß auch im Ingersheimer Kirchengemeinderat, in schwieriger Zeit. „Es war Krieg. In einer seiner ersten Sitzungen ging es um die Glockenablieferung“, so Mack. „Dies zeigt, dass die Familie der Kirche nahestand“, sagt die Ingersheimer Pfarrerin Birgit Rügner. „Auch wenn Robert Scholl selbst wohl nicht sehr gläubig war, war seine Frau Diakonisse und sehr fromm.“
Robert Scholl war im Sommer 1917 nach Ingersheim gekommen – er war zum Bürgermeister in der damals selbstständigen Gemeinde gewählt worden. Seine Frau Lina, geborene Müller, war hochschwanger. Hans Scholls ältere Schwester Inge (Aicher- Scholl, 1917–1998) kam am 11. August zur Welt.
Gut ein Jahr später folgte bereits Bruder Hans, Geburtsdatum 22. September 1918, wie das Kirchenregister vermerkt. Das kennt übrigens nur einen „Johannes“ Scholl. Der Name „Hans“ steht nur in Klammern darunter. „Dabei ist das wahrscheinlich ein Missverständnis“, meinen Werner Mack und Birgit Rügner, die sich über den Eintrag im Kirchenregister beugen. „Nirgendwo sonst ist von Johannes Scholl die Rede.“ Wahrscheinlich habe es der Schreiber zu gut gemeint und das Hans zu Johannes verbessert.
Doch beim Taufort lässt der Eintrag ebenfalls Raum für Spekulationen, auch das ein Hinweis auf das „Tohuwabohu“, das damals in den Akten herrschte. Denn der Ort ist nicht angegeben. Dabei steht er bei allen anderen Einträgen. In Klammern ist da immer „Kirche“ zu lesen, „zu Hause“ oder auch nur „Haus“. Wie bei Inge Scholl, zum Beispiel. Sie wurde in Ingersheim am 16. September 1917 getauft, um „3 Uhr, Haus“, steht im Register, Täufer war der Altenmünsterer Pfarrer, dessen Namen im Register schwer leserlich ist. „Er hieß wohl Esinger oder Ehsinger“, sagt Mack. Bei Hans Scholl sind die Klammern für den Ort zwar da. Doch es steht nichts dazwischen.
Dass Hans Scholl in der Ingersheimer Kirche getauft sein soll, hält Werner Mack für unwahrscheinlich. Der Tauftag, 13. Oktober 1918, war zwar ein Sonntag, „aber an diesem Sonntag war in Ingersheim kein Gottesdienst. Den gab es nur alle vier Wochen.“ Das weiß Mack, weil sich die Abkündigungen aus dem Gottesdienst im „Verkündbuch“ erhalten haben. Danach war am 6. Oktober in Ingersheim Gottesdienst. Am 13., dem Tauftermin, nicht. Wohl zu Hause getauft.
Mit anderen Worten: Getauft wurde Hans Scholl mit größter Wahrscheinlichkeit zu Hause. Die Taufpaten sind erwähnt. Es waren „1. Fritz Müller, Bauwerkmeister in Backnang. 2. seine Ehefrau Emma. 3. Margarethe Auwärter, ledig in Rappenhof bei Geiselhardt, OA Öhringen“.
Schwester Inge Scholl hatte im Jahr zuvor übrigens gleich vier Taufpaten erhalten. Das Register nennt sie: „1. Elise Leber, Künzelsau, z.Zt. Kulmbach, ledig. 2. Emma Hohschuler, ledig, Merklingen, OA Leonberg. 3. Georg Scholl, ledig, z.Zt. Vizefeldwebel in Stuttgart. 4. Schultheiß Spät und Ehefrau, katholisch, Stimpfach“.
(Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Hohenloher Tagblatts)