Das Vermächtnis erfüllt

Anneliese Knoop-Graf ist im Alter von 88 Jahren gestorben

Artikel vom Samstag 05.09.2009 aus SÜDWEST AKTIV von ANDREAS HARTHAN

Die Erinnerung an den Widerstand weitertragen - dieses Ziel hat Anneliese Knoop-Graf bis zuletzt verfolgt. Jetzt ist die Schwester des Widerstandskämpfers Willi Graf im Alter von 88 Jahren gestorben.

Nach dem Tod von Inge Aicher-Scholl, der Schwester von Hans und Sophie Scholl, war Anneliese Knoop-Graf die Stimme der Überlebenden der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" und eine der letzten Zeitzeuginnen, die sich unmittelbar an den Widerstand dieser studentischen Gruppe erinnern konnte.

Ihr Bruder Willi war wie die Geschwister Scholl am 18. Februar 1943 in München verhaftet worden und wurde wie die beiden Scholls von den Nazis hingerichtet. Der letzte Wunsch des 25-Jährigen ("Weitertragen, was wir begonnen haben") betrachtete Anneliese Knoop als Vermächtnis ihres Bruders und wurde bis ins hohe Alter nicht müde, Zeugnis abzulegen vom Widerstand der Studenten gegen die Barbarei der Nazis.

Natürlich war sie auch mehrere Male in Crailsheim, der Geburtsstadt von Inge und Hans Scholl. Knoop-Graf hatte zusammen mit ihrem Bruder Willi in München studiert, dort die Geschwister Scholl kennengelernt und bei ihnen auch ein paar Tage gelebt. Im Jahr 2000 hat Knoop-Graf als stellvertretende Vorsitzende der Weiße-Rose-Stiftung die Vitrine im Treppenhaus des Crailsheimer Rathauses, in der kleine Wechselausstellungen an die "Weiße Rose" erinnern, eingeweiht.

Ein Jahr später nahm sie als Zeitzeugin an einer Podiumsdiskussion zum Thema Widerstand im Volksbanksaal teil und verbrachte im gleichen Jahr als "Reisende in Sachen Erinnerungsarbeit" einen Tag in der Geschwister-Scholl-Schule in Ingersheim. Und sie war Rednerin bei den jährlichen Gedenkfeiern für die Männer von Brettheim.

Auch Anneliese Knoop-Graf war im Februar 1943 nach der Verhaftung ihres Bruders Willi und der Geschwister Scholl festgesetzt worden. Da sie über die Aktivitäten der "Weißen Rose" nicht informiert war (ihr Bruder hatte ihr nichts erzählt), wurde sie jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt.

Während andere Zeitzeugen in der Nachkriegszeit versuchten, eine größtmögliche Nähe zur "Weißen Rose" zu konstruieren, hat sie nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie nicht dazugehörte. Aber Knoop-Graf hat sich trotzdem große Verdienste um die Widerstandsgruppe erworben, weil sie deren Vermächtnis weitergetragen hat. Unermüdlich hat sie in Akademien und Schulen, in Universitäten und auf Kirchentagen über Leben und Wirken der widerständigen Studenten gesprochen. Das Vermächtnis ihres Bruders hat sie "mit Kopf und Herz eingelöst", steht in der Traueranzeige für Anneliese Knoop-Graf.

Wie sie, die vor drei Jahren die Ehrendoktorwürde der Universität Karlsruhe erhielt, Erinnerungsarbeit betrieben hat, beeindruckt Historiker bis heute. In einem Nachruf würdigen Peter Steinbach und Johannes Tuchel, die Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, ihre Fähigkeit zur Selbstkritik. Dadurch sei sie zur "geradezu idealen Gewährsfrau vergangener Erfahrungen und Erlebnisse" geworden.

(Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Hohenloher Tagblatts)

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